„Der Bär mag Honig“ – das Projekt „Gebärdensprache“

Während der diesjährigen Projekttage vom 5.-8. Februar 2025 fand am Stefan-Andres-Gymnasium Schweich ein ganz besonderes Projekt statt, denn – krankheitsbedingt leider nur – sechs-fünf interessierte Schülerinnen und Schüler lernten die Grundzüge der deutschen Gebärdensprache (DGS) kennen.

Damit sich fundiert in die Thematik eingearbeitet werden konnte, leitete Frau Kerstin Wolff vom Hörbiz Trier e. V. zwei Tage lang die Lernenden durch die Theorie und Praxis des Hörens bzw. Nichthörens.

Gebärdensprache (1)

Am ersten Tag erklärte Frau Wolff zunächst an einem Modell, wie genau das Ohr bzw. das Hören funktioniert. Außerdem erfuhren wir, dass es verschiedene Grade des Hörens gibt: hörend, schwerhörig – hier unterscheidet man noch zwischen Hochton- und Tieftonschwäche – gehörlos und ertaubt.

Kinder, die von Geburt an gehörlos sind, lernen das Sprechen durch spezielles Sprech- und Stimmtraining. Hält man sich z. B. beim Sprechen des Buchstabens „N“ ein Nasenloch zu, fühlt man eine Vibration in der Nase – so lernen gehörlose Kinder, diesen Buchstaben über das Vibrationsgefühl richtig auszusprechen. Sarah, eine Projektteilnehmerin, fand diese Lehrmethoden hilfreich und innovativ.

Bei Schwerhörigkeit kann man unterscheiden zwischen einer Schallleitungsstörung, dann hört man alles sehr dumpf oder genuschelt. Bei einer Schallempfindungsstörung hingegen hört man Töne im Wechsel entwder recht deutlich, dann plötzlich gar nicht mehr. Bei der Hochtonschwerhörigkeit hört man die hohen Töne nicht, bei einer Tieftonschwerhörigkeit hingegen die tiefen Töne nicht mehr. Frau Wolff spielte uns verschiedene Tonaufnahmen vor, die uns zeigten, wie schwerhörige Menschen Sätze oder Musikstücke verstehen. Die Lieder z. B. waren bei der Hochtonschwäche kaum noch zu erkennen, bei der Tieftonschwäche verstanden wir zwar die Melodie, aber die Lieder wirkten doch sehr eindimensional.

Danach sollten wir uns noch stärker in die Lebenssituation von gehörlosen Menschen einfühlen können. Wir machten zwei Übungen, bei denen wir mittels Ohropax und Kopfhörern schwerhörig gemacht wurden. Dann mussten wir in einem Rollenspiel entweder im Supermarkt nach einem bestimmten Artikel fragen oder in der Schule während eines Diktats mitarbeiten. Wir merkten schnell, dass wir uns sehr stark auf die Aufgabe fokussieren mussten, der Alltag enorm eingeschränkt wird und wir uns durchaus hilflos vorkamen, wenn wir nicht wussten, was z. B. der Lehrer gerade sagt und wir ständig nachfragen mussten. Wenn Frau Wolff z. B. nuschelte, verstanden wir gar nichts mehr.

Gemeinsam erarbeiteten wir die Reaktionen und Auswirkungen, die Gehörlosigkeit auf den Alltag der Menschen haben kann.

 

Soziale Folgen sind z. B.:

  • Depressionen
  • Soziale Ängste
  • Keine Freude an (den alten) Hobbies
  • Rückzug und weniger Kontakte
  • Ein geringeres Selbstwertgefühl

 

Körperliche Folgen sind z. B.:

  • eine Schärfung des Sehsinns
  • eine Veränderung der Stimme, sie ist bei Gehörlosen oft höher
  • Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
  • Kopfschmerzen und Müdigkeit, da man sich sehr stark konzentrieren muss
  • Stress

 

Überraschend für uns war, dass beim Lippenlesen nur 30% der Informationen über die Mimik übermittelt wird, die restlichen 70% entstehen über die Kombinationsfähigkeit des Gehirns – daher ist auch eine so hohe Konzentration gefragt! Somit ist es wichtig, stets das Thema, über das gerade gesprochen wird, zu benennen.

Auch dies verdeutlichte Frau Wolff mit einer Übung: Wir konnten einzelne Wörter von ihren Lippen nicht ablesen. Als sie dann aber sagte, dass es gerade um das Thema „Schule“ gehe, konnten wir plötzlich die Worte „Pause“, „Lehrer“, „Tafelschwamm“ und viele weitere kombinieren! Es funktioniert also wirklich!

 

Anschließend erarbeiteten wir zusammen Kommunikationsregeln, einmal allgemein bei Hörbehinderungen, dann speziell bei tauben Personen:

 

Kommunikationsregeln:

  • Handzeichen
  • Mimik beachten
  • deutliches Mundbild
  • auf die Körperhaltung achten
  • Nebengeräusche und Hintergrundlärm vermeiden
  • zugewandt und mit Blickkontakt kommunizieren
  • auf den Lichteinfall achten, sodass der Gehörlose nicht geblendet wird
  • langsam und deutlich sprechen
  • laut sprechen, aber nicht schreien: leicht die Stimme anheben und etwas lauter sprechen

 

Kommunikationsregeln bei Gehörlosigkeit:

  • in einem großen Bogen um die Person herumgehen, dabei winken/auf sich aufmerksam machen
  • anderen Personen im Gespräch signalisieren, dass man sich nähert
  • auf den Boden stampfen
  • das Licht an/ausschalten

 

Der Theorieteil wurde dann durch mit den Hilfsmitteln abgeschlossen, welche Gehörlosen helfen können:

  • Hörgeräte, hier gibt es „Hinter-dem-Ohr-Geräte“ (HDO) und „Im-Ohr-Geräte“ (IO)
  • das Cochlea-Implantat
  • Tablet/Handy/Sprachprogramme
  • Fax
  • Sachen aufschreiben (Stift und Papier)
  • Lichtsignalanlagen
  • Vibrationskissen (oder auch Vibrationen via Smartwatch)

 

Jetzt konnte es endlich losgehen! Noch am Mittwoch lernen wir unsere ersten Gebärden und das Lautalphabet. Alexa und Lasse fanden es super, dass die deutsche Grammatik der Lautsprache völlig über den Haufen geworfen wird! Denn die DGS, die Deutsche Gebärdensprache, ist viel kürzer, aber dafür nicht weniger ausdrucksstark!

Den ersten Satz, den wir in der DGS lernten, lautete „Der Bär mag Honig.“ Bzw., eigentlich: „Bär Honig mag“. Die Gebärde für „mögen“ – man streicht mit der Hand seinen Hals herunter – wird dabei von einem Nicken begleitet. Schüttelt man hingegen den Kopf, wird aus „mögen“ „nicht mögen“ – so einfach ist das!

Mit dem Lautalphabet lernten wir dann unseren Namen oder feststehende Begriffe buchstabieren.

 

Auch hier gibt es einige „Tricks“: Doppelbuchstaben werden durch eine langgezogene Geste verdeutlicht, nur wenige Buchstaben, wie z. B. das „J“, werden mit einer Bewegung ausgedrückt. Um Verwirrung zu vermeiden, signalisiert man die Zeichen nur mit einer Hand.

 

Am Donnerstag stiegen wir dann so richtig in die Gebärdensprache ein. Unsere Dozentin erläuterte uns immer wieder neue Themenbereiche, zu denen wir dann die entsprechenden Gebärden übten. So konnten wir uns schließlich vorstellen und nach den Namen und Hobbies der anderen fragen, erklären und herausfinden, wie es uns geht, wir lernten die Fragewörter und Zahlwörter sowie viele Begriffe zum Thema Schule, Hobby und unserem Alter.

In der Gehörlosencommunity erhält jeder eine Art Spitznamen, eine einfache Geste, die man als Ersatz für den Namen gebärdet, sodass man nicht jedes Mal den ganzen Namen buchstabieren muss. Dies kann ein Körpermerkmal, Hobby oder das Sprachbild des Nachnamen sein. So erhielt z. B. Frau Rollinger, da sie als Lehrerin arbeitet, als Spitznamen die Gebärde für „(Rot-)Stift“; Doreen, die Saxophon spielt, wählte dieses Hobby für ihren Namen aus.

Gebärdensprache (19)

Am Freitag überlegte die Gruppe wie wir das Gelernte für den Tag der offenen Tür aufbereiten könnten. Freundlicherweise stellte uns Frau Wolff einiges Anschauungsmaterial zur Verfügung, welches wir dann durch Poster erläuterten. Videos wurden gedreht, welche das Lautalphabet, die Fragewörter und Begrüßungsformeln mit der lautsprachlichen Übersetzung zeigten. Eine Schülerin entwickelte außerdem ein Memory, mit dem die gelernten Gebärden eingeübt werden konnten. Schließlich wurde auch noch die Zählweise ansprechend über Bilder vermittelt.

 

So konnten wir gut in den Samstag starten! Viele Besucher kamen vorbei und ließen sich nach anfänglicher Unsicherheit von uns einzelne Gebärden zeigen. Die fünf Schülerinnen und Schüler waren engagiert bei der Sache und führten die Besucher*innen durch die verschiedenen Stationen, spielten viele Runden Gebärden-Memory oder „vertaubten“ die Besucher, damit sich diese in schwerhörige oder gehörlose Menschen bessern hineinversetzen konnten.

Viele Besucher*innen waren sehr interessiert an dem Projekt und fragten nach dessen Genese. Dass es ein wichtiger Schritt im Sinne der Inklusion ist, wurde auch sehr oft betont. Viele Eltern kannten die unterstützende Gebärdensprache aus der Grundschule, z. B. bei Kinderliedern, die durch die entsprechenden Gebärden leichter zu behalten sind. Alle Teilnehmer*innen des Projekts wären gerne noch tiefer in die deutsche Gebärdensprache eingetaucht, sodass wir nun überlegen, wie wir das Projekt nächstes Jahr fortsetzen oder intensivieren können.

Das Projekt wurde gefördert durch die Spendenorganisation Stiftung Bildung ((https://www.stiftungbildung.org/).

Herzlichen Dank!

Alexa Mantzel, Henning Fuchs, Tom Bier,

Sarah Wagner, Doreen Dany,

Lasse Simon, Dr. Franziska Rollinger

Stiftung_Bildung

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